Dienstag, 24. Februar 2009

Die Vorstadt Allmannshausen ist sehr alt



Allmannshausen ist als Vorstadt vor der ummauerten, mittelalterlichen und kleinen Stadt Montabaur entstanden. Es heißt, hier hätten Leute gewohnt, die nicht sehr einkommensstark waren, wie heute gesagt wird.


Die Struktur dieser Vorstadt war ländlich und bäuerlich. Es gab Mühlen und Wasserläufe, von denen mindestens einer ein Mühlengraben war. Man kann auf einer Karte von 1927 solche kuenstlich gelenkten Wasserläufe noch erkennen. Bauernhöfe und Scheunen prägten diese kleine Vorstadt, die sich an den Hinteren Rebstock anlehnte, sich von der Stelle vor dem Stadttor bis in die Ebene unterhalb des Schloßberges hinzog und über die Ebene an einem Weg in Richtung Staudt ausgebreitet worden war.


Als das Kurfürstentum Trier unterging und der Westerwald und Taunus zum Herzogtum Nassau zusammengelegt wurde, kam es im Jahre 1816 zur dauernden Öffnung der Stadtpforte am Hinteren Rebstock und Allmannshausen und Hinterer Rebstock wurden als ein Stadtteil von Montabaur aufgefaßt, dem ein Vorsteher des Stadtteils vorstand. Allmannshausen verlor dadurch seine ausgegrenzte Lage außerhalb der Stadtmauer. Die Bewohner werden sich an das Stadtgebiet angebunden gefühlt haben und hatten ab dann Tag und Nacht freien Zugang zum Stadtgebiet.

Zu irgendeinem Zeitpunkt wurde die historische Stadtpforte am Hinteren Rebstock abgerissen. Heute erinnern nur noch Baureste daran. Bislang wurde noch nie baugeschichtlich erarbeitet, wie sich der Stadtteil Allmannshausen in Montabaur entwickelt hat. Es gibt aber Hinweise. 

"Die Vorstadt Allmannshausen kommt im Jahre 1476 unter dem Namen Armenhussin vor", schreibt K.A.A.Meister in seiner Geschichte der Stadt und Burg Montabaur", die im Jahre 1876 herausgegeben wurde, und ergänzt:

"Hier waren zwei Cameral-Bannmühlen, welche die Stadt 1765 in Erbpacht übernahm und die unterste 1772 in eine Papiermühle verwandelte."

Auch der frühere Stadtarchivar von Montabaur, Günter Henkel, weiß zu berichten:

"Von der Oberen Pforte am Sauertal führte die Mauer entlang dem Steilhang hinter den Vorderen Rebstock bis hin zur Pforte am Hinteren Rebstock und dem Eulner Türmgen. Hier stand - außerhalb der Mauer - nach dem Ratsprotokoll vom 5.April 1698 die Werkstatt eines Eulners. Schon 1688 und 1693 war dieser Eulner dem Rat der Stadt


übel aufgefallen, weil er durch die Ablage seines Dunges die erst zwanzig Jahre zuvor reparierte Stadtmauer erneut beschädigt hatte. - Das benachbarte Tor hat bis heute seine Spur an der Stadtmauer hinterlassen. Der Dungplatz des Eulners Johannes Schreiner ist durch Gebot des Stadtrats schon im April 1698 beseitigt


worden. 'Eulner' meint den Töpfer, speziell den Krugbäcker und kommt vom lateinischen 'olla' (= der Topf). Das Stadtarchiv bewahrt einige solcher Töpfe auf. Sie stammen aus dem 13.Jahrhundert und wurden beim Abriß eines Hauses neben dem Rathaus 1962 gefunden." (1)


Es wird deutlich: Allmannshausen ist schon im Mittelalter vorhanden und hatte bald neben den beiden Mühlen eine Krugbäckerei im Stadtteil.

Derzeit ist Allmannshausen durch eine wenig sinnvolle Verkehrsplanung bedroht. Durch die historische Vorstadt soll eine viel befahrene Durchgangsstraße geführt werden, die es erforderlich macht, die Straße zu verbreitern, um den Verkehr aufnehmen zu können.

Außerdem soll ein Verkehrskreisel die beiden Teile von Allmannshausen trennen, was den weiteren Niedergang des Vorstadtgebietes bedeutet. Zwar ist schon jetzt durch die breite Alleestraße eine Trennwirkung spürbar, jedoch wird diese noch gesteigert werden, wenn ein Kreisel eingerichtet wird.


Im Jahre 2010 wurden historische Gebaeude, die durch eine Veränderungssperre dem Verfall preisgegeben waren, abgerissen, um dem Aufbau des Verkehrskreisels Vorschub zu leisten.


Die Lage des Kreisels wirkt so, als wolle man bei Aufkommen finanzieller Mittel eine Straße in einem Tunnel durch den Schloßberg führen, die an der Wallstrasse zum Vorschein kommt, um den Verkehrsfluß auf der Umfahrung des Schloßberges zu vermindern und um eine Fußgaengerzone auf der Bahnhofsstraße einrichten zu können, die vom alten Rathaus am Großen Markt bis zum neuen Bahnhof führt.

Die historischen Gebäudetypen von Allmannshausen kann man sich auf den alten Fotos erschließen. Zu Bauernhöfen gehörten Scheunen. Mit der Zeit wurden daraus reine Wohnbauten. Man könnte die verbliebene Bebauung durch einen klugen Stadtteilentwicklungsplan um solche Bauten ergänzen, die dem Charakter des historischen Allmannshausen entsprechen. Damit das sinnvoll geschehen kann, müsste jedoch der Durchgangsverkehr aus Allmannshausen herausgenommen werden. Es gab Proteste der Bewohner von Allmannshausen, die keine weitere Steigerung des Durchgangsverkehrs haben wollten.

Man hat die Proteste weitgehend übergangen, um das verkehrsplanerische Konzept politisch durchzuhalten. Ein öffentliches Bürgerbeteiligungsverfahren gab es nicht. Jedoch ist anzunehmen, daß durch Mitgliedschaft in einer Partei der eine oder andere zu Wissen gelangte, dass Bürgern ohne Parteimitgliedschaft verschwiegen wird, obwohl sich darunter viele von der Planungsmassnahme Betroffene befanden.

Karl-Ludwig Diehl









Anmerkung:
(1) zitiert aus: Günter Henkel: Mauern und Gebücke - Die Befestigungswerke der Stadt Montabaur im Spätmittelalter und in früher Neuzeit. S.105-147 in: Stadtarchiv Montabaur (HG): Beiträge aus Stadt, Verbandsgemeinde und Region. 8.Heft der Schriftenreihe zur Stadtgeschichte von Montabaur. Montabaur, 2002. S.120

Sonntag, 18. Januar 2009

Die schöne Kulturzeit der Entstehung der Jugendstilbauten in Montabaur



Die schöne Kulturzeit der Entstehung der Jugendstilbauten in Montabaur

In der kleinen Stadt Montabaur, die sich durch ihre beschauliche Lage auf einem Bergrücken auszeichnet, der am Schloßberg endet und auf halbem Wege eine Senke bildet, die geradezu dazu prädestiniert war, dort im Mittelalter den zentralen Marktplatz anzulegen, weil dort Straßen zusammenlaufen, finden sich hier und da Gebäude aus der Zeit des Jugendstils. Sie haben ihren ganz eigenen Charakter und verweisen auf eine Zeit der Kulturentwicklung im deutschen Kulturraum, die nicht von Kriegen bestimmt ist. Wie das Lebensgefühl in der Zeit des Jugendstils in Montabaur war, ist derzeit noch sehr schwierig nachvollziehbar zu machen. Bislang wurde versäumt, diese so wichtige Zeit des 19. und frühen 20.Jahrhunderts stadtgeschichtlich zu bearbeiten. Was die Baugeschichte betrifft, so gibt es zwar Bauakten der preußischen Zeit zu sehr vielen Bauten von Montabaur, aber da diese Archivalien in faustdicken Handakten eingenäht sind, ist erst eine Zerlegung dieser Bauakten vorzunehmen, bevor sie bearbeitet werden können. Zum Jugendstil liesse sich viel zusammentragen.

">>Jugendstil war nicht nur eine Stilrichtung der bildenden Kunst, sondern auch eine geistige Bewegung mit eigenem Programm, mit einer Gruppe von Pionieren, mit eigenen Zeitschriften und mit der Absicht, nicht nur die bildende Kunst, sondern das ganze moderne Leben umzugestalten." (1) Es wurden Kulturzeitschriften herausgegeben, die sehr viele Menschen erreicht haben müssen. Daß die Ideen des Jugendstils auch bis in den Westerwald vordrangen, ist an den Jugendstilbauten zu erkennen, die es nicht nur in Montabaur, sondern auch in Dörfern und anderen Kleinstädten des Westerwaldes gibt. Bislang wurden noch niemals Dokumente dazu zusammengetragen, um diese wichtige kulturelle Phase für den Westerwald aufzuzeigen. Wir wissen bislang nicht, welche Kulturzeitschriften im Westerwald gelesen wurden und wie sich das Lebensgefühl dieser Zeit in diesem Mittelgebirge mit dem Jugendstil verband.
Die Architekten, welche die Jugendstilbauten entwarfen, wurden bis heute nicht durch wissenschaftliche Abhandlungen den Bewohnern der Dörfer und Städte vorgestellt. Mit anderen Worten: beim Kulturraum des Westerwaldes haben wir es mit einer baugeschichtlichen Brache großen Ausmaßes zu tun. Was hier noch zu bearbeiten ist, sucht seinesgleichen.

Der Westerwald war 1867 an Preußen angeschlossen worden. Aus Anlaß der Kaiserproklamation hatte man in Montabaur das neugotische Rathaus mit Pomp eingeweiht. Später waren Schüler des Gymnasiums der Stadt mit ihrem Lehrer ins Lahntal gewandert, um den Kaiser während seines Aufenthaltes im überaus idyllischen Bad Ems in einer Privataudienz darum zu bitten, ihr Schulgebäude in Kaiser-Wilhelm-Gymnasium umbenennen zu dürfen, was gewährt wurde. Dieser Kaiser war kein Freund des Jugendstils, wie er im Jahre 1902 deutlich auf einer Industrieausstellung in Düsseldorf erkennen ließ. Als man ihm erlesene Jugendstilmöbel auf der Ausstellung präsentierte, erregte er sich:

">>Nein, nein, meine Herren, ich verzichte darauf seekrank zu werden.<<" (2) Den Monarchen störte die geschwungene Linie des Möbeldesigns. Hätte er sich in dem Lebensgefühl des Jugendstils gerne bewegen wollen, wären kriegerische Pläne wohl nie aufgekommen, die ihn später in den Ersten Weltkrieg trieben und ihn um seine Krone brachten.
Dem Lebensgefühl des Jugendstils widersprachen kriegerische Auseinandersetzungen. Seine Anhänger waren auf Friedenszeiten aus und wollten Harmonie der Lebensverhältnisse.
Rüdiger Safranski hat diese Zeit so charakterisiert:

"Eine ganze Kultur, es ist die wilhelminische, wird vor den Richterstuhl des Lebens (Wilhelm Dilthey) zitiert und mit der Frage konfrontiert: Lebt dieses Leben noch?" (3)

Es hatte sich auch im deutschen Kaiserreich eine Jugendbewegung gebildet, die auf Änderung aus war. Nietzsche war populär geworden. Seine radikalen Vorstellungen gewannen Anhänger. Nicht nur durch Nietzsche, so sieht es Rüdiger Safranksi, bekam das Wort 'Leben' Klang und wurde geheimnisvoll. Es sei zu einer Renaissance des romantischen Lebensgefühl gekommen und die Parole 'Leben' gegen einen seelenlosen Materialismus gerichtet worden.

Mit dem Wort 'Leben' habe man "Gestaltenfülle, Erfindungsreichtum, einen Ozean der Möglichkeiten" verbunden. Wahrhaft eine Gegenwelt entstand in der Kaiserzeit als sich Nietzsche auszuwirken begann. So wurde erlebt, was zu überwinden war:
"Zu Nietzsches Zeit wollte die bürgerliche Jugend noch alt aussehen. Damals war Jugendlichkeit eher ein Karrierenachteil. Es wurden Mittel empfohlen, die angeblich den Bartwuchs beschleunigten, und die Brille galt als Statussymbol. Man ahmte die Väter nach und trug den steifen Kragen, die Pubertierenden steckte man in Gehröcke und brachte ihnen den gemessenen Gang bei." (4)

Dann brandete der Wille zur Veränderung auf:

"Nun aber ist 'Leben' das Ungestüme und Aufbruchhafte und somit das Jugendliche selbst. 'Jugend' ist kein Makel mehr, der versteckt werden muß. Im Gegenteil: Das Alter muß sich nun rechtfertigen, es steht unter dem Verdacht, abgestorben und erstarrt zu sein." (5)

Man befand sich also sehr plötzlich in der Zeit des Jugendstils. Vermutlich hatten sich auch in Montabaur diese Gegensätze bemerkbar gemacht, und der steifen wilhelminischen, preußischen, aber kleinen provinziellen Welt der zu dieser Zeit winzigen Kleinstadt Montabaur wurde ebenfalls ein lebendiger Jugendstil entgegengesetzt. Durch die Bauten haben sich Zeugnisse von diesem Vorgang in Montabaur erhalten, der in ganz Europa mit Auswirkungen auch auf die anderen Kontinente stattfand.

Die Sehnsucht der Künstler, die diesen Stil hervorbrachten und zur hohen Kunst ausarbeiteten, bildete die seelische Grundlage, die Einheit von Kunst und Leben zu verwirklichen. Was sie ausdrückten, war das Lebensgefühl einer Zeit, in der nach Schönheit gestrebt wurde, in der man endlich eine neue Wirtschaftsethik erreichen wollte, und in der Versuche unternommen wurden, eine Ära sozialer Gerechtigkeit anbrechen zu lassen.
Wir wissen noch nicht, wie es zu dieser Zeit des Jugendstils im Westerwald zuging. Aber es dürfte auch hier eine Zeit angebrochen gewesen sein, in der man für Musik und bildende Kunst sehr aufgeschlossen war und sich auch nach einer Architektur sehnte, die in Harmonie mit einer schön arrangierten Natur vorhanden sein sollte. Es könnte eine Zeit schönster Gärten um die Häuser gewesen sein, auch eine Zeit, in der viele Alleen angepflanzt wurden. Eine solche zog sich als Lindenallee die gesamte obere Koblenzerstraße hin bis zum Waldessaum an der Abzweigung nach Horressen. Sie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg sinnlos zerstört, nur noch ein unscheinbarer Rest davon hat sich nahe dem Spießweiher erhalten.

Der Ausdruck des Lebendigen, den der Jugendstil in diese Kleinstadt gebracht hatte, wich nach dem Zweiten Weltkrieg den Auswirkungen eines kalten Funktionalismus, in dem das Automobil neue Zusammenhänge hervorrief, welche die historische Innenstadt in weiten Teilen zerstörte und den Landschaftsraum um diese Kleinstadt völlig zersiedelte.

Ob sich Hinweise darauf finden, daß auch in Montabaur die einflußreiche Zeitschrift >Jugend<>
gelesen wurde, die im Jahre 1896 gegründet worden war und viele Leser fand, ist ungewiß. Im Gründungsmanifest dieser Zeitung heißt es, Jugend sei "Daseinsfreude, Genußfähigkeit, Hoffnung und Liebe, Glaube an den Menschen", genauso sei sie "Farbe", "Form und Licht". All das drängte zu interessantem Formengut und schöner Farbigkeit an Gebäuden und bei der Inneneinrichtung, sowie in den Gärten.

Es ist bislang noch schwierig zu wissen, auf welche Vorbilder die Architekten der Jugendstilbauten in Montabaur zurückgriffen, welche Bauten sie ganz besonders beeindruckt hatten, sodaß sie an diese Qualität herankommen wollten, als sie ihre Gebäude entwarfen. Auch fehlen noch die Namen der Architekten, welche die Bauten schufen. Es ist in einen großen Bearbeitungszeitraum zu investieren, um die baugeschichtlichen Zusammenhänge im Westerwald zu verstehen, ein Aufwand, der bislang kein Äquivalent fand.
Es gab Zentren des Jugendstils. Beeindruckt war man in Wien von einer Ausstellung Glasgower Künstler und Architekten, die eine Moderne entwickelt hatten, die alle überraschte. Das Erlebnis war ansteckend gewesen. Die gleiche Qualität eigener Arbeiten sollte in Wien erreicht werden. In Dresden hatte sich Henry van der Velde mit einer Ausstellung vorgestellt und fand Bewunderer. Genauso schnell bildeten sich in Brüssel, Paris, Darmstadt und anderswo Zentren des neuen Kunststils heraus, wo Möbeldesign, Glasdesign, neue Keramik oder Graphik entstanden und all das seinen Widerhall in der Baukunst fand. Dieser kulturelle Wandel muß den Westerwald über Tageszeitungen und Kulturzeitschriften erreicht haben. Man darf sich fragen, wie er die Menschen hier erreicht hat, und was er alles bewirkte.

Karl-Ludwig Diehl
Deutsches Gewölbemuseum
http://vub-virtuelleuniversittfrdasbauwesen.blogspot.com/






































Anmerkungen:
(1) zitiert aus: Albert Schug: Erlebnis der Gegenwart.
Baden-Baden, 1969. S.24
(2) Kaiser Wilhelm zitiert in: Albrecht Bangert, Gabriele
Fahr-Becker: Jugendstil. München, 1992. S.43
(3) zitiert aus: Rüdiger Safranski: Romantik - Eine deut-
sche Affäre. München, 2007. S.304
(4)-(5) zitiert aus: R.Safranski, wie vor, S.304