Die Koblenzerstraße in Montabaur, die vom Standort des untergegangenen Stadttores namens Peterstor hinaus geführt worden war, um als neue Chaussée eine bessere Verbindung nach Koblenz herzustellen, auf der Postkutschen zügig fahren sollten, findet sich auf einem Gemälde abgebildet, das um das Jahr 1840 gemalt worden sein soll. Das Bild zeigt uns eine Chaussée, wie man sie damals herstellte. Der Untergrund der Straße wurde etwas
vorbereitet, dann gewalzt und schließlich mit Gesteins- und Kiesschichten überdeckt. Diese Auflage wurde, wenn es richtig gemacht wurde, nochmals gewalzt. Hatte man keine Walze zur Verfügung, wurde gestampft und danach darauf vertraut, daß durch das Befahren der Fahr- und Reitweg verfestigt wurde.
Das Gemälde zeigt uns den unteren Verlauf der Koblenzerstraße, da, wo sie am Promenadenweg ansteigt und sich der später sogenannte Brüderweiher befand, der inzwischen zugeschüttet ist. Wir sehen die "neue Chaussée nach Coblenz" in ihrem Verlauf bis vor die doppeltürmige katholische Pfarrkirche, vor der unweit das Peterstor stand, bis es in der Biedermeierzeit abgerissen wurde.
Wenn wir das Bild eingehend studieren, entdecken wir an der Koblenzerstraße nur wenige Häuser. Es dürften drei Gebäude sein, die außerhalb der Stadtmauern waren. Sie dürften entstanden sein, sobald veranlaßt wurde, die Stadttore für immer offen zu lassen. Zugleich waren Baugebiete außerhalb der Stadtmauern erlaubt worden. Die Bauzeit dieser Häuser wird in die Biedermeierzeit fallen. Eines dieser Gebäude könnte das heutige Pfarrhaus der evangelischen Kirche sein, das durch die Kirchengemeinde von einem Rechtsanwalt angekauft wurde, der seine Villa mit einem sehr großen Park umgeben hatte. Diese Villa soll nach Auskunft des evangelischen Pfarrers etwa um das Jahr 1840 entstanden sein. Am Ende dieser Parkanlage errichtete später diese Kirchengemeinde ihre Pfarrkirche aus Feldbrandziegeln. Das Kirchengebäude steht unmittelbar an der unteren Koblenzerstraße. Der hohe Kirchturm überragt diesen Teil der Stadt, der einige Zeit das Professorenviertel genannt wurde, weil hier etliche Lehrer wohnten, die im nahen Gymnasium, dem Priesterseminar und in der Volksschule unterrichteten.
Genauge- nommen fängt die Koblenzer- straße vor dem Gymnasium an, dessen Gebäude auch schon sehr alt ist. An dem einen Ende dieses Gebäudes, das später diese L-förmige Erweiterung erhielt, münden verschiedene Straßen in die Koblenzerstraße, von denen eine ins Gelbachtal führt, die andere nach Holler. Aus der Talsohle hatte man außerdem eine Gasse vor der Stadtmauer am ehemaligen Brauhaus bis zur Koblenzerstraße geführt. Durch den zunehmenden Autoverkehr wurde aus der Wegekreuzung eine vielbefahrene Straßenkreuzung.
Noch nach dem Zweiten Weltkrieg diente die Koblenzerstraße, ab einer gewissen Zeit mit Straßenpflaster, später mit einer Teerdecke versehen, als Durchgangsstraße. Sie führte dann als Kirchstraße weiter durch die historische Altstadt und als Bahnhofsstraße und Alleestraße um den Schloßberg herum, bevor aus der Kirchstraße eine Fußgängerzone gemacht wurde.
An der Ecke, dort wo eine Gasse neben dem alten Brauhaus nach oben zur Koblenzerstraße hinaufführte, hatten sich die katholischen Junggesellen einen Treffpunkt geschaffen, der mit der Zeit immer weiter ausgebaut wurde. Das Gebäude mit seinem großen Saal diente später sehr lange Zeit als Kulturzentrum der Stadt, bevor es wegen Baufälligkeit abgerissen wurde.
Auf der topographischen Karte, die aus dem Jahre 1917 stammen soll, ist der Verlauf der relativ "neuen Chaussée nach Coblenz" gut zu erkennen. Wir finden selbst noch zu dieser Zeit nur sehr wenige Gebäude an der Koblenzerstraße. Es handelt sich meist um Stadtvillen, die neugotisch oder im Baustil der Neorenaissance gebaut wurden. Das Zeitalter des Historismus hatte hier zu manchem sehr schönen Wohnhaus geführt. Bis auf wenige haben sich alle diese Bauten erhalten.
Während die untere Koblenzerstraße schon relativ dicht von Gebäuden gerahmt war, finden wir zu dieser Zeit weiter oben nur eine sehr spärliche Bebauung. Die Bebauung endet an einem Festplatz, der für eine Gewerbeausstellung hergerichtet worden war. Nach der Gewerbeschau war aus dem Gelände, auf dem auch ein typisches Westerwaldhaus mit Niederlaß gezeigt wurde, ein Sportplatz für die Jugendlichen gemacht worden. Ab da führte die Koblenzerstraße noch lange Zeit durch Felder.
Gleich zu Beginn der Koblenzerstraße, einen Steinwurf vom ehemaligen Gymnasium entfernt, stand ein Eckgebäude aus Backsteinen. Über die beiden Geschoße hinaus hatte man einen Zwerggiebel weitergeführt, dessen Giebel getreppt wurde. Nach links geht die Straße nach Holler ab. Die Scheunen, die an der rechten Seite dieser Peterstorstraße zu sehen sind, sollen bereits in der Biedermeierzeit entstanden sein. Sie bestehen inzwischen nicht mehr. Das Eckgebäude aus Backsteinen fiel nach dem Zweiten Weltkrieg dem Straßenverkehr zum Opfer. Um das Abbiegen für Kraftfahrzeuge zu erleichtern, die von Koblenz kommend nach Holler abbogen, wurde ein abgerundeter Straßenverlauf vorgesehen. Und das Gebäude stand im Weg.
Jemand hatte von einem der Kirchtürme der katholischen Pfarrkirche ein Foto in Richtung der Koblenzerstraße geschossen, als das Eckgebäude noch stand. Gegenüber befand sich an der anderen Straßenecke ebenfalls ein Backsteingebäude, bei dem man sich fragt, warum es unbedingt zerstört werden mußte. Seine Fassaden sind mit kostbaren feinkeramischen Klinkern geschmückt. In Nachahmung der mittelalterlichen Türme der Stadttore befindet sich bei diesem überwiegend in neugotischem Stil gehaltenen Gebäude ein zum Turm verlängerter Erker über der Straßenecke. Das Treppenhaus erhielt eine Überhöhung durch einen Zwerggiebel, um den Hauseingang zu den Wohnräumen dieses Bauwerkes zu betonen. Rote und gelbe Klinker ergaben ein prachtvolles Bild, als das Gebäude neu errichtet war. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die historistische Baukunst in Verruf. Man verstand den Sinn dieser Art von Baukunst nicht mehr und begeisterte sich für die Nachkriegsmoderne, die dann selbst in Verruf geriet, weil die Menschen die funktionalistische Bauweise als zu monoton empfanden.
Das katholische Junggesellenhaus, bald in Kolpinghaus umbenannt, hat auch seine Geschichte. Sie muß genauso verfolgt werden wie die Baugeschichte der anderen Gebäude der Stadt. Dem abgebildeten Gebäude ist schon anzusehen, daß es für seine Zwecke bald zu klein wird. In der Tat wurde ein neues und größeres Bauwerk mit einem langgestreckten Saal notwendig, das jedoch auch nicht allzu lange Zeit den gewachsenen Ansprüchen genügen konnte. Beliebt war bei der Bevölkerung der Hof vor dem L-förmigen Bauwerk, wo an Tischen im Freien nach dem Kirchgang Bier oder eine Limonade unter hohen Bäumen getrunken wurde. Auch diese Idylle verschwand, um einem modernen Saalgebäude Platz zu machen.
Die Koblenzerstraße muß, bevor der starke Autoverkehr nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzte, eine sehr idyllische Straße gewesen sein. Die Anrainer legten Wert auf Vorgärten, und oft genug verzierten schmiedeiserne Gartenzäune den Übergang zum Straßenraum mit seinen Trottoirs. Die alten Fotos lassen diese Pracht noch erkennen. Inzwischen sind die meisten Vorgärten
zerstört, weil Ärzte und Rechtsanwälte für ihre Besucher Parkplätze anlegen liessen. Vermutlich war eine Stellplatzverordnung der Grund zur Preisgabe der Gärten. Vor die Alternative gestellt, eine hohe Geldsumme als Ausgleich an die Stadt zu zahlen, wurde lieber der Vorgarten vernichtet, um die erzwungenen Stellplätze nachzuweisen. Man müßte dem genauer nachgehen.
Da der untere Teil der Koblenzerstraße nahe an der historischen Innenstadt lag, entstand hier sehr rasch eine dichte Bebauung durch Stadthäuser. Bis kurz vor dem Ersten Weltkrieg werden hier alle Gebäude entstanden sein. Somit reihte sich ein Vorgarten an den anderen. Hinter ihnen erhoben sich die prachtvollen Stadtvillen, von denen aus viele Bewohner einen Blick auf das Schloß geniessen können, das auf einer Anhöhe über der Stadt thront.
Nachdem der gerade Verlauf der Koblenzerstraße eine Stelle erreicht hatte, wo das Gelände anstieg und in eine Biegung der Straße überging, sah man zur linken Hand den sogenannten Brüderweiher. Er gehörte zum Klostergelände der barmherzigen Brüder, die ein auf einem Bergrücken aufgebautes Krankenhaus betrieben. Diesen
Teich gab es schon früher. Er diente als Wasserspeicher und war wohl Teil eines Verteidigungswerkes aus der früheren Stadtgeschichte. Gespeist wurde der Teich, zusammen mit anderen, die sich daran anschlossen, von einem Wasserlauf, der an einem Hang entlanggeführt worden war. Man nennt den Verlauf dieses ehemaligen Wassergrabens seit längerer Zeit Promenadenweg.
Ursprünglich hießen Wege, die nur für Spaziergänger vorgesehen waren, Promenadenwege. So wurde z.B. auch ein Fußweg neben der evangelischen Kirche in Montabaur Promenadenweg genannt, weil er nicht befahren wurde. Der Wassergraben scheint im Jahre 1917 noch bestanden zu haben, denn in der topographischen Karte dieser Zeit ist er noch eingetragen.
Oberhalb der Stelle, an der früher der Wassergraben auf die Chaussée nach Coblenz stieß, gab es noch lange Zeit nur sehr wenige Stadtvillen. Vereinzelt standen sie in großen Gärten. Das letzte Gebäude aus dieser Epoche dürfte wohl in der Nähe der kleinen Kreuzkapelle errichtet worden sein.
Von hier an erstreckte sich über Jahrzehnte eine Allee bis zum Waldgebiet, das damals noch weit entfernt an der Zuwegung nach Horressen begann.
Mit einem Luftfoto ist diese Allee festgehalten worden, als es weit entfernt von dem großen Gebäude des Konviktes nur drei stattliche Wohnhäuser gab.
Die Koblenzerstraße verlor nach dem Zweiten Weltkrieg ihre prachtvollen Alleebäume. Die Allee war aus Lindenbäumen angepflanzt worden. Auf halbem Wege zum Wald mußte diese von Bäumen gesäumte Straße um einen aufgestauten See, den Spießweiher, herumgeführt werden. Hier erhielt sich ein letztes Stück dieser parallelen Baumreihen. Das alte Straßenstück wird heute nicht mehr befahren, da die Ausfallstraße nach Koblenz eine Umgehung erhielt. So ergab sich schließlich die Gelegenheit, das Landschaftsgebiet um den Spießweiher mitsamt des Alleerestes unter Naturschutz zu stellen. Heute schließt sich der Stadtwald direkt an das Naturschutzgebiet an. Es bereitet deshalb einige Mühe, sich vor Ort den vorherigen Verlauf der Allee bewußt zu machen.
Es ergeben sich viele Fragen, die auf Antwort warten. Zum einen muß herausgefunden werden, wer all diese Bauten an der Koblenzerstraße errichtete. Sodann muß der Baustil dieser Gebäude genau analysiert werden. Schließlich muß herausgefunden werden, was alles sich an dieser Straße tat und wie sich diese Straße veränderte. Es ist nicht damit zu rechnen, daß für alle Gebäude noch Archivalien vorhanden sind. So kann dann vielleicht nur durch die benachbarten Gebäude auf die übrigen geschlossen werden. Es ist zu wünschen, daß sich die Namen der Baumeister und ihre Biographien aufspüren lassen. All das zu ermitteln, wird viel Zeit verbrauchen. Aber es muß endlich gewagt werden, die Gebäude dieser Straße in ein Verständnis zu heben. Dies wird nur durch Mithilfe der Hauseigentümer, der Behörden und durch Funde in Archiven möglich werden.
Karl-Ludwig Diehl
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Deutsches Gewölbemuseum
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Sonntag, 16. November 2008
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